Ich lernte Marcel aka smilefootage 2013 kennen, als ich ein Zimmer zu vermieten hatte. Erst beim Einzug kam ich auf die Idee, ihn nach seinem Alter zu fragen, wobei sich herausstellte, dass er über zehn Jahre jünger ist als ich. Er kam quasi gerade frisch aus dem Ei geschlüpft und versuchte in Köln Fuß zu fassen. Schnell ist er in der Folge erwachsen geworden, möglicherweise gar erwachsener als ich es selbst bin, hat die Webseite, auf der dieses Interview zu lesen ist, erstellt und neben Skateboarding, Arbeit und Freundin noch genug Zeit gefunden, sich in kürzester Zeit die Geheimnisse analoger Fotografie beizubringen, inklusive der Entwicklung von Filmen im heimischen Badezimmer.
Ungeheuere Neugier und eine schnelle Auffassungsgabe zeichnen den maximalblonden Brillenträger eben aus. Auch wenn wir uns vier Jahre später nun nicht mehr die Wohnung teilen, ist er mir längst zu einem guten Freund geworden. Eins jedoch fällt mir schwer ihm zu verzeihen: Dass er mir nie Bescheid gegeben hat, wenn Nacktofotoshootings in unserer Wohnung stattfanden…
Kanya [Spani] war auch verwundert, als ich ihm gesagt habe, dass ich keine Digitalkamera habe. Ich muss halt im richtigen Moment schießen und dann alles oder nichts.
"Damals hab ich noch gedacht, wie langweilig doch Fotografie ist, weil man ja nur ein Still hat, während sich bei Video was bewegt."
So in etwa, aber ich hab da jetzt auch mehr Bock drauf. Ich will nicht sagen, dass du keine guten Fotos machen kannst, mit Leuten die nicht mega gut Skateboard fahren – einen Ollie oder einen Kickflip für einen Styleshot kann ja fast jeder – aber für richtige Skatefotos musst du mit den richtigen Leuten unterwegs sein. In letzter Zeit häuft es sich allerdings dass ich ein paar Fotos gemacht habe, die auch direkt mit dem Hintergrund für ein Skatemag z.B. geschossen wurden.
Ich hätte auch richtig Bock mal mit nem geskillteren Team einer Brand irgendwo hinzufliegen, so als Sidepicfotograf, sogar wenn ich mir die Reisekosten selbst zahlen müsste.
Bisher hab ich da ja noch nicht so viel geschossen. Meistens war ich mit Leuten unterwegs, die eh einen Skatefotografen mit digitaler Kamera dabei hatten. Was ich allerdings bemängel ist, am Spot wird gefilmt und fotografiert, danach wird die Kamera eingepackt und zum nächsten Spot gefahren und dort wieder ausgepackt. Das Ganze durch die Stadt pushen etc. hält aber keiner so richtig fest hatte ich immer den Eindruck. Ich hab die Kamera gerne dazwischen am Start und war deshalb noch nie so richtig auf Skatefotos fokussiert.
Ich hatte einen Kollegen der einen Brettsponsor gesucht hat und er
hatte mich gefragt, ob ich ihn nicht filmen würde. Dann hab ich drüber
nachgedacht und mir schließlich von meinem Ausbildungsgehalt eine Canon
550D gekauft und einen Clip mit ihm gefilmt. Damals hab ich noch
gedacht, wie langweilig doch Fotografie ist, weil man ja nur ein Still
hat, während sich bei Video was bewegt.
Dann bin ich irgendwann nach
Barcelona geflogen und dachte, dafür wäre eine Fotokamera ganz geil. Ich
bin da draufgekommen, weil es zu der Zeit einen Clip von Nick Garcia zu
seinem Etnies Schuh gab, der inspiriert war von der Canon AE1. Dann hab
ich mich über die Kamera informiert und festgestellt, dass viele die
als Einsteigerkamera benutzen, weil das halt pure Fotografie ist, da ist
nichts automatisch. Ich hab die schließlich für 75 Euro auf Ebay
gekauft und bin mit vier Filmen nach Barca. Da würde ich heute nicht
mehr mit auskommen.
Damals hab ich noch viel mehr überlegt, ob ich ein
Foto mache. In Relation zu den Fotos die ich heute verschieße, sind
dafür aber auch ein paar mehr Fotos gut geworden.
Schon ein bisschen. Vielleicht ist es auch, weil ich mir mittlerweile mehr Filme leisten kann. [lacht]
Oder weil ich jetzt selber entwickle und dadurch Geld spare. Früher hat
das ja 10 Euro pro Film gekostet.
Später war ich bei dm, aber das war
mir dann auch zu dirty. Meistens hab ich es so gemacht, dass wenn ich
vier Filme abgegeben, ich mir drei davon beim abholen in die
Jackentasche gesteckt und nur einen bezahlt habe. Farbfilme lass ich jetzt
immer noch in einem Labor entwickeln, das kostet so fünf Euro pro Film,
aber das will ich demnächst auch selbst machen. Es heißt zwar, das ist
schwieriger als schwarz-weiß, aber du hast am Ende auch nur ein bisschen
mehr Chemie und musst die Temperatur konstant auf einer bestimmten Gradzahl halten. Ich
hol mir dafür wahrscheinlich eine Wäschewanne und eine Aquariumheizung.
Das war als ich letztes Jahr im August frei hatte und da hab ich überlegt das selbst zu machen und hab dann 200 Euro investiert, für Flaschen, Ordner, Negativhüllen, Chemie. Ich hab mir ein paar YouTube Videos angeschaut, mich mit Augen zu in mein Zimmer gestellt, bis ich es raus hatte, wie man den Film in die Entwicklerdose dreht und dann hab ich im Bad den ersten Film entwickelt und fand es total geil, dass es geklappt hat.
Genau, das ist ja ohne Fenster. Ich mach das abends, dann muss ich die Tür nicht abkleben und wenn mein Mitbewohner da ist, sag ich ihm kurz Bescheid, dass er im Flur kein Licht anmacht oder ins Bad kommt.
Nach Barcelona hab ich noch abgegeben, aber das waren 37 Filme mal fünf Euro. Und die Filme an sich kosten ja sogar noch mehr. Da bist du dann insgesamt schnell auf 400-500 Euro. Da spart man schon eine Menge, wenn man das selbst macht. Ich hab jetzt eine Entwicklerdose, wo man drei 35mm Filme auf einmal reinmachen kann. Oder ein 120mm und zwei 35mm. Ich hab dann auch meine 3-4 gängigen schwarz-weiß Filme, die ich ungefähr gleich viel verschieße, damit ich die zusammen entwickeln kann. Aber neulich hatte ich 19 Filme, da brauchst du fünf Tage und da machst du abends auch nix anderes. Das Scannen ist ja auch eigentlich der aufwändigere Part.
"Du musst Bock drauf haben. Dann kommst du abends nach Hause und entwickelst direkt."
Anders geht es auch nicht, du musst Bock drauf haben. Dann kommst du abends nach Hause und entwickelst direkt. Das hat mich auch angetrieben, denn da entdeckst du den analogen Kram nochmal neu und musst nicht erst warten, sondern kannst das selbst machen. Aber manchmal stellt sich schon die Frage… Aus dem letzten Frankreich Urlaub hab ich 200 Bilder eingescannt und die muss man dann alle noch bearbeiten und da investiert man in ein Foto viel Zeit. Bei der digitalen Knipserei ist das halt zu leicht. Da hältst du bei einem Trick einfach drauf, verballerst eine Sequenz und suchst dir am Ende den besten Moment aus, aber das ist es nicht für mich. Und außerdem mag ich digital vom Look her auch nicht. Ich mag die intensiveren Farben, die Körnung, die Kontraste.
Da musst du schon echt fit in Bildbearbeitung sein. Ein paar davon hab ich auf Instagram entdeckt, wo mir dann Leute erzählt haben, dass die digital schießen und den Look nachher bearbeiten. Die schieben irgendwelche Staub Filter drüber, aber dann schieß ich es lieber gleich analog.
Es macht schon mehr Bock als ein 40 Stunden Job im Büro. Am liebsten wär mir ein Teilzeit Job als Web-Entwickler damit ich nebenbei mehr Zeit dafür habe. Man brennt halt nur für eine Sache so richtig im Leben. Ich hatte auch mal überlegt, ob ich in dem Labor, in dem ich entwickeln lasse, einen Nebenjob haben könnte, um mehr in die Materie rein zu kommen. Ich hab ja auch noch nie Darkroom Prints gemacht. Witzigerweise hat ein Kumpel zu Weihnachten eine komplette Ausrichtung geschenkt bekommen. Da wollte ich demnächst vorbeikommen und das mit ihm mal ausprobieren.
Ich hab welche auf der Webseite angeboten, aber da ging bisher noch nicht so viel. Meine Homies haben aber schon ein Dutzend gekauft. Es ist halt auch die Frage, ob man Fotos schießt, die allgemein funktionieren. Welche die sich jeder Otto Normalbürger ins Wohnzimmer hängen kann. Vielleicht war ich da bisher zu sehr auf eine bestimmte Zielgruppe bezogen. Deshalb würde ich demnächst auch gerne mal bei einer Galerie hier um die Ecke eine kleine Ausstellung machen, denn meistens, wenn ich irgendwas gemacht habe, ist irgendwas Anderes daraus entstanden. Ich hätte auch mal Bock ein Zine zu machen. Das ganze Internet Zeug ist ja schön und gut, aber da muss man mich auch erst mal finden.
"Das ist nicht so wie mit einer digitalen Knipse, einfach draufhalten."
Schon ein bisschen, wobei die größeren Namen jetzt nicht so häufig antworten. Aber Faby Reichenbach und Lucho [Vidales] hab ich bei diesem Red Bull Contest kennengelernt und das sind manchmal einfach so Zufälle. Aber an sich entsteht diese Vernetzung nur durch Instagram. Da siehst du Jemanden, schreibst den an und dann ergibt sich das. Das ist echt so eine kleine Gruppe an Leuten, die auch dauerhaft untereinander schreiben und kommentieren und eigentlich haben die alle auch eine Leica am Start.
Am Anfang hab ich eben rumprobiert. Mit der AE-1 hab ich relativ
lange geschossen um zu testen, was ich überhaupt für Fotos machen
möchte. Die hatte dann einen mechanischen Schaden kurz bevor ich nach
Barca wollte und hab mir dann die AE-1 Programm gekauft. Dann wollte ich eine
zweite Kamera, um auch ein Weitwinkel Objektiv zu haben und hab dann
durch Zufall bei einer Fotografie Studentin eine Nikon F3 gefunden.
Dann
hab ich mir eine Leica Minilux Snapshot Kamera für so ein paar
Spaßfotos am Abend gekauft. Danach kam der Gedanke mit der Mittelformat
Kamera und ich hab die Mamiya auf Ebay günstig bekommen. Die Minilux hat
mir dann nicht mehr so gefallen, weil ich nicht so der Schnappschuss
Typ bin. Als das Analoge wieder in Mode kam, haben sich viele Snapshot
Cams gekauft, weil das am einfachsten geht, aber ich mochte das nie so.
Und als dann die Leica kam, hab ich die Nikon wieder verkauft.
Seitdem
benutze ich die Leica & die Mamiya am meisten. Ich hab ein paar
meiner Freunde jetzt auch angefixt und die haben sich auch eine AE-1
gekauft und machen mittlerweile echt schon gute Fotos, obwohl die bisher
noch nix mit Fotografie zu tun hatten. Aber weil die eben auch Arbeit
da reinstecken und überlegen, bevor die ein Foto machen. Das ist nicht
so wie mit einer digitalen Knipse, einfach draufhalten.
"Ich bin da voller Adrenalin den Berg runter gepusht, bei rot über die Kreuzung, ich hab einfach versucht scharf zu stellen und hab abgedrückt."
Beides, aber die Momentaufnahmen sind auf jeden Fall überwiegender.
So wie damals das Bild mit Joscha Aicher in Barcelona. Wo beide auf dem
Zebrastreifen im gleichen Moment pushen, mit den beiden Rollern daneben,
wo eine perfekte Symmetrie bestand. Ich bin da voller Adrenalin den
Berg runter gepusht, bei rot über die Kreuzung, ich hab einfach versucht
scharf zu stellen und hab abgedrückt. Ich hätte niemals gedacht, dass
so ein Foto dabei rumkommt.
Manchmal seh ich aber auch ein Bild und die
Lichtstimmung passt und dann sag ich, push doch hier mal lang. Da
brauchst du eben auch Leute die das mitmachen.
Die Fotos mit denen ich nachher am meisten zufrieden bin, sind die, die schon vorher im Kopf hatte. Es gibt auch viele Fotos mit Mädels, wo ich planlos an die Sache rangehe und wo am Ende das Ergebnis auch ziemlich ernüchternd ist. Man muss in diese Fotografie auch erst mal reinkommen.
Ich hab das einfach mal so aus Spaß mit einer Freundin gemacht, da hab ich ihr 2015 vorgeschlagen abends am Großmarkt Fotos zu machen und da hab ich dann Bock bekommen.
Meistens waren das Mädels, die schon Fotos gemacht hatten, weil die dann auch mehr wissen was sie machen müssen. Viele Sachen sind auch zwischen den Fotos passiert, also genau zwischen meinen Anweisungen.
Genau, da hab ich dann eigentlich auch keinen Bock mehr drauf, weil es den Mädels im Kopf nur ums Posten geht. Die besten Fotos hab ich mit Mädels gemacht, die auf sowas gar nicht aus sind. Ich hab das halt letztes Jahr für mich ein wenig ausgetestet, aber hab jetzt gemerkt, ich mach das nur noch, wenn ich auch wirklich eine Idee habe. Ich dachte am Anfang, dass ich jede Art von Fotos die ich gut finde auch selber schießen möchte, aber das ist nicht so.
Eine Leica M6 für 35mm, die Mamiya RZ67proii für 120mm und dann noch die Nishika N8000 seit neustem für so ein paar Spass 3D Fotos. Außerdem noch eine Polariod Kamera, ist auch manchmal ganz cool so ein Direktfoto zu haben.
Bei den Filmen sind es am meisten Ilford HP5+, Ilford Pan F+ , Kodak Trix und für Farbe Kodak Portra 160/400 oder auch mal einen CineStill Film.
Momentan die Mamiya, sorry Leica.
Mehr von Marcel gibt es auf seiner Webseite.
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