Der studierte Geograph Erik Groß
hat nach seinem Abschluss einen anderen Weg eingeschlagen und sich auf
seine, neben Skateboarding, größte Leidenschaft besonnen. Mittlerweile
verdient er seine Brötchen mit Fotografie und unterrichtet deren
Grundlagen sogar. Wir wollten von dem gebürtigen Rostocker wissen, wie
es ist, als freier Fotograf zu arbeiten, was gute Portraits ausmacht und
wie man die passenden Models findet.
Ich bin jetzt Fotografie-Dozent an einer privaten Design-Schule hier in Rostock und hatte heute Vorlesung.
Ich hab deren Webseite neu bebildert. Der Leiter der Schule hat sich im Zuge dessen meine Webseite angeschaut und mich dann gefragt, ob ich nicht Bock hätte, dort als Dozent zu arbeiten. Jetzt lehre ich dort Fotografie, von den Basics bis hin zu größeren Projekten.
"Für mich ist nach wie vor das Handwerk was Besonders und das Foto hat für mich gleich mehr Wert, wenn ich es selber entwickelt und selber gescannt habe."
Wir haben schon lange mit dem Gedanken gespielt zurück zu kommen, weil wir beide von hier sind und unsere Familien auch hier leben. Und ich werde jetzt auch bald Vater und dann ist es einfach schöner, wenn man die ganze Familie zusammen hat. Und dadurch, dass ich oft in Dresden arbeite, bin ich glücklicherweise immer noch regelmäßig da.
Ja, das war in Dresden. Nachdem ich dort meinen Master beendet hatte, hab ich festgestellt, dass ich meine Zukunft nicht in diesem Beruf sehe – und dann hab ich eben nach und nach diese Fotografie-Geschichte ausgebaut. Finanziell konnte ich mich dank eines zweijährigen Jobs bei H&M über Wasser halten. In der Zeit hab ich die Fotografie weiter verfolgt und unter anderem durch die Hilfe von Sebastian Linda neue Kunden kennengelernt. In Rostock hab ich anfangs aktiv Akquise betrieben und mein Portfolio rumgeschickt und mittlerweile bin ich auch hier sehr gut angekommen.
Meine Arbeitskamera ist eine Sony Alpha 7R2. Ich hab erst vor zwei Monaten mein ganzes Nikon-Equipment verkauft und bin auf Sony umgestiegen.
Also ich hab natürlich zig analoge Kameras, weil ich das halt privat sehr gerne mache. Zum Arbeiten hatte ich eine digitale Nikon – aber die hab ich verkauft.
Wenn ich mich für etwas entscheiden müsste, wären es Porträts. Zu denen kam ich auch tatsächlich durch’s Skaten. Ich hab ja hier und da auch Skate-Fotos gemacht. Aber nichts desto trotz haben mich immer die Leute interessiert, die dahinterstecken. Inzwischen such ich mir oft Personen raus, die irgendwas bestimmtes machen. Seien es jetzt Tänzer oder beispielsweise der Kickboxer, den ich aktuell begleite. Also einfach Charaktere, die was machen, womit ich mich noch nicht auskenne.
Es ist weniger, da gebe ich dir Recht. Ich bin natürlich auch
wählerischer geworden bezüglich der Sachen, die ich veröffentliche. Hier
und da gibt’s aber schon noch Skate-Fotos, wenn ich mal auf Tour bin.
So wie jetzt auch mit Downright. Wir haben im April unser Full-Length
Video „One More Try“ premiert, da ist auf den Touren schon viel
entstanden, z.B. das Brettkollegen-Cover, dieses Foto in der
Wasserrutsche.
Die machen jedes Jahr einen Foto-Wettbewerb. Da hab ich glücklicherweise mal vor Jahren mit einem analogen Skate-Foto gewonnen, in der Studenten-Kategorie. Dafür hab ich dann von denen ein Lifetime-Abo bekommen und das Bild wurde gedruckt. Da hab ich in den vergangenen Jahren immer wieder mitgemacht – dann auch in den anderen Kategorien, in denen man Geld gewinnen kann. Inzwischen ist das Magazin auch deutlich bekannter und wird immer größer. Da reichen heute sogar Fotografen wie Ryan Allan und Jonathan Mehring Bilder ein. Und dieses Jahr hatte ich wieder Glück und bin in der „Action“ Kategorie aus tausenden Einsendungen unter die Top 5 gekommen.
Ne, das hab ich tatsächlich aus Interesse gemacht. Die meisten Fotos, die man auf meinen Social Media Kanälen findet, sind keine Jobs. Nur auf meiner Website sind unter anderem auch berufliche Projekte. Ich trenne dadurch so ein bisschen die berufliche und private Arbeiten.
Die Aufträge kommen viel über Langzeitkunden, für die ich schon einiges gemacht hab. Oder oft läuft das tatsächlich über Mundpropaganda. Oft ist es aber auch so, dass ich über private Projekte an Jobs komme. Beispielsweise bin ich in Dresden ein bisschen in die Tanz-Szene eingetaucht. Das war super schwer als „Nicht-Tänzer“, 5000 Mails später durfte ich ich dann bei einer Abschlussprüfung einer Tanzschule fotografieren. Der Tanzschule hat meine Arbeit gefallen, hat mich wieder eingeladen und mich irgendwann für Jobs gebucht. Und natürlich habe ich mein Portfolio an Agenturen geschickt – das hat auch sehr geholfen.
"Wenn ich eins gelernt hab, dann dass wenn du Zuhause auf Aufträge wartest, nichts passiert"
Ja ich glaub, das ist unabdingbar. Wenn ich eins gelernt hab, dann dass wenn du Zuhause auf Aufträge wartest, nichts passiert. Aber das ist ja in jedem Bereich so. Du musst erst mal Gas geben, sonst weiß niemand, dass du da bist. Man darf auf keinen Fall stillstehen. Man muss immer weiter neugierig sein und immer weiter Fotos machen. Wenn man aber richtig Bock drauf hat, wird das sich auch immer irgendwann auszahlen. Es ist auch sehr wichtig, präsent zu sein. Ob über Webseiten oder Instagram oder worüber auch immer.
Auf jeden Fall. Instagram ist perfekt für die Verbreitung der Arbeit. Facebook ist irgendwie Reichweiten-mäßig ganz schön abgestürzt. Es gibt auch noch Tumblr, Flickr und so weiter – das sind aber alles sehr spezielle Plattformen.
Man könnte jetzt das sagen, was offensichtlich ist: Also, dass das Licht schön ist, man einen tollen Hintergrund hat und was auch immer. Aber ich glaube, dass es viel wichtiger ist, dass man eine Verbindung zu der Person hat. Ich glaube, wenn die Person einem vertraut in irgendeiner Form, kommt was Gutes bei rüber. Auch wenn man sie nur ziemlich kurz kennengelernt hat. Ich glaube, dass die Sekunde in der man sich kennenlernt tatsächlich absolut entscheidend ist.
Also die Location überlegt ich mir schon vorher. Und ich check auch, wie das Licht sein wird. Ob unter Umständen Regen ist, ob Sonne ist. Dass ist ja immer entscheidend für den Look. Oder ob man’s zuhause macht oder draußen. Aber der Rest passiert von alleine. Und das ist auch meistens so, dass es dauert. Nach einer Stunde wird man dann miteinander warm. Ganz selten ist es so, dass die ersten Bilder wirklich gut werden. Ich hab es natürlich auch schon mal gehabt, dass ich keine Connection aufbauen konnte. Und die Fotos dann nicht gut geworden sind. Und nie veröffentlicht wurden.
Gibt es bestimmt, hab ich persönlich allerdings noch nicht erlebt.
Die mach ich fast nur analog. Also ganz viel Mittelformat. Ich hab da so eine Pentax 67. Ich find den Look immer noch einmalig. Ich mach hier und da auch mal was mit der Sony, aber ich erwisch mich immer wieder, dass ich meistens nur die, die ich auf Film geschossen hab, benutze. Ich fotografier eben ganz anders analog als digital. Da bin ich einfach nicht so konzentriert wie beim analogen Fotografieren. Digital mach ich immer alles ganz schnell und viel zu viele Bilder, anstatt mich einmal zu besinnen und überlegen. Bei analog weiß ich schon vorher, ob das funktioniert oder nicht.
Weil ich da meistens ein Gefühl für hab. Eigentlich müsste man ja denken: Digital sieht man doch sofort auf dem Bildschirm. Das stimmt auch. Und trotzdem: Wenn ich so ein Mittelformat-Foto mache und den Look sehe, denk ich mir auch: „Geil“. Für mich ist nach wie vor das Handwerk was Besonders und das Foto hat für mich gleich mehr Wert, wenn ich es selber entwickelt und selber gescannt habe. Man kann das gar nicht erklären.
Sowohl als auch. Es ist ästhetischer. Und zeitloser. Aber es gibt
noch ein Geheimnis: Ich hab ’ne Rot-Grün-Farbschwäche. Deswegen fühle
ich mich glaube ich zu Schwarz-Weiß mehr hingezogen. Weil es für mich
einfacher ist zu verarbeiten.
Zum Beispiel lenken bei SW-Fotos die Farben nicht ab. Man kann sich
besser auf Hell-Dunkel Kontraste fokussieren und muss mehr über den
Bildaufbau arbeiten. Ein gutes Beispiel hierfür ist French Fred.
Er ist ein Meister darin mit außergewöhnlichen Perspektiven in SW zu
fotografieren und er achtet dabei sehr auf Linien und Formen. Ich bin
ein großer Fan von ihm.
Tatsächlich hängt viel von den Augen ab. Das sieht man auch auf meinen Porträts, dass ich viel Wert darauf lege, dass die Augen zur Geltung kommen. Außerdem achte ich auf die Körpersprache und auf ein gewisses Selbstbewusstsein. Ich suche viel nach Menschen mit Ecken und Kanten, die nicht unbedingt in ein bestimmtes Schönheitsideal passen.
Ich fahre schon mindestens 3 bis 4 mal die Woche. Ich filme auch nach wie vor. Aber dadurch, dass mein Instagram-Kanal mein Foto-Kanal ist, gibt’s von mir einfach nicht so viel Insta-Footage. Zudem ist die Footage, die es von mir gibt, meistens an feste Projekte gebunden. Wie jetzt das Downright-Video. Wir bringen jetzt auch ein Video mit der Rostock-Connection raus. Ich hab glaub ich zehn Minuten Footage, die noch nicht veröffentlicht wurde. Ich fahr auch für Habitat (über 24/7) seit einem halben Jahr – und der Clip dazu ist auch fertig und sollte bald online gehen.