Montag Vormittag, Köln, Brüsseler Platz. Die Sonne scheint und neben mir sitzt ein braungebrannter Patrick Rogalski zurückgelehnt auf der Parkbank und nippt an seinem Kaffee. Gestern hat er mit Team Titus den Vans Shop Riot gewonnen und später geht es noch Street skaten. Es gibt Menschen, für die startet die Woche schlechter, denke ich, und meine die entspannte Aura körperlich spüren zu können, die von Rogge ausgeht. Das ist er dann wohl, der viel zitierte Rocco Lifestyle. Aber dann erzählt er, dass er sich die Bräune nicht im Urlaub, sondern bei einem Messejob vor dem Contest geholt hat, welcher zusammen mit der Contestkohle die angespannte Haushaltslage wieder ausgeglichen hat. Auch wenn es so scheinen mag, ist also nicht alles nur Pommes und Konfetti im Leben von Rocco. Es bedarf auch einer gewissen Leidensfähigkeit, Ausdauer und dem unverwüstlichen Vertrauen, dass alles schon gut werden wird, um sich auf diese Art durchzuhustlen. Mit der Freiheit, die er sich nimmt, kommt schließlich auch eine große Unsicherheit, welche den Leuten, die gerade schon in ihren Büros sitzen, spätestens nach zwei Wochen ein faustgroßes Magengeschwür verpassen würde. Rocco hat dafür nur ein Lächeln übrig.
Das Leben immer optimistisch zu sehen, auch wenn es einem gerade nicht so gut geht.
Gerade hab ich halt meinen Schuhsponsor verloren und ich muss sehen, wie ich über die Runden komme und wie es weitergeht. Entweder mit Skateboarding so wie gerade weitermachen oder mir was Vernünftiges suchen. Ich weiß gerade gar nicht, was ich machen soll. Ich bin halt auch noch jung, aber es ist schwer in Deutschland vom Skaten leben zu können und sich was für später anzusparen. Ich leb zwar im hier und jetzt, aber trotzdem mach ich mir Gedanken, was in 20 Jahren ist.
Ich zahl ja gar nicht in die Rentenkasse ein, deshalb macht man sich schon Gedanken, was irgendwann sein wird. Jetzt ist das Leben cool und man wird beneidet, dass man die ganze Zeit reist, aber später, wenn ich mich nicht zusammenreiße… auf Flaschen sammeln hab ich keinen Bock. Aber heutzutage machen das selbst Leute, die 50 Jahre gearbeitet haben. Deswegen denk ich, scheiß drauf, mach so weiter und du wirst das schon irgendwie regeln. Es hat immer irgendwie geklappt. Schon in der Schule hatte ich eine Hauptschulempfehlung, aber ich hab die Realschule durchgezogen und noch Fachabi gemacht. Ich wollte denen beweisen, dass ich es doch kann. So will ich das das ganze Leben durchziehen.
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Kann man sagen. Ab und zu hab ich noch Trainer in der Skatehalle gemacht, aber dann hab ich mir gedacht, dass ich das genauso gut privat machen kann: meine eigenen Zeiten einteilen und mit eigenen Kids arbeiten. In der Skatehalle war es schon ein bisschen so, dass einige Kids gar nicht so richtig Bock hatten und von ihren Eltern hingeschickt worden sind, wie in einen Fußballverein. So hab ich nicht angefangen, aus dem Grund sind wir ja Skater. Ich hab früher Fußball gespielt und das lief ganz gut. Meine ganze Family in Polen dachte, der wird irgendwann mal Fußballprofi. [lacht]
Ja, als Stürmer in der Niedersachsenauswahl. War ’ne coole Zeit, aber ich wollte freier sein, darum bin ich beim Skaten geblieben. Deshalb mach ich die Kurse jetzt auch auf meine Art.
„Zur Zeit bekomm ich nur von Titus finanzielle Unterstützung. Den Rest muss ich mir über den Monat zusammenstruggeln“
In Berlin gibt’s eh immer viel Jobs. Irgendwelche Modeljobs…
Je nachdem. Klamotten oder so was. Meine Ex arbeitet z.B. in einem richtig harten Fashion Laden und die habe ich mal von der Arbeit abgeholt und da haben die mich gefragt, ob ich nicht Bock hätte vorzusprechen. Jetzt entwickelt sich das bei mir gerade. Vorher hab ich das nur für Titus Brettkollegen oder so gemacht. Letztens hat mich wieder eine Agentur angeschrieben, dass ich vorbeikommen soll. Läuft gerade ganz gut an und ist auch gute Kohle.
Bei mir ist das eher… Also das sind schon Agenturen die mich anschreiben. Letztens wollten die z.B. irgendwas für McDonalds, aber das hab ich abgelehnt. Die haben einen skatermäßigen Punker mit langen Haaren gesucht, aber ich wollte nix für McDonalds machen. Aber wenn du willst, kannst du in Berlin auf jeden Fall arbeiten. Es gibt immer Jobs, Barjobs oder halt über Agenturen. Die suchen die ganze Zeit Skater in Berlin. Manchmal sind auf einem Vorsprechen 100 Skater und du dachtest du wärst der einzige. Dann stehen da Louis (Taubert), Hirschi (Roland Hirsch) und alle. Da gibt es teilweise 3000 Euro für ein Wochenende. Hirschi und (Jürgen) Horrwarth spielen z.B. jetzt für den Titus Film den jungen Titus, der noch Rampe skaten kann.
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Na so ’ne Doku.
Das wird jetzt ein richtiger Film.
Ich glaub nur in ein paar Szenen in der Miniramp. So genau weiß ich es auch nicht, aber ich weiß, dass Hirschi und Horrwarth den Job bekommen haben.
Auf dem Karneval der Kulturen hab ich mit einem Bauchladen Gin Tonic verkauft, obwohl, eigentlich war das kein Verkaufen. Ich war mit meinen Homies unterwegs und hab denen vergünstigt Drinks verkauft. Im Endeffekt hatte ich dann das raus, was ich auch dafür bezahlt hatte und alle hatten eine gute Zeit.
Morgens aufstehen und bei gutem Wetter treffen sich direkt alle am Polendenkmal. Es gibt voll viele Leute die jeden Tag Bock haben was zu machen. Du hast als Skater ja auch jeden Tag was zu tun. [lacht] Vor zwei Wochen war eine Session für den Dogshit Spot, am Tag drauf Adidas Premiere und dann direkt Favorite Premiere. Und dann die ganze Zeit skaten und filmen. Wir filmen gerade für das „Oh Snap“ Video von Dan Schulz, das kommt am 1. August und fürs Titus Video, das Ende des Jahres kommen soll. Die ganze Zeit also Skatelife, neue Spots suchen, Fotos machen, Deadlines.
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Je nachdem wie man es anstellt und man abgefeiert wird von Medien und Sponsoren. Zur Zeit bekomm ich nur von Titus finanzielle Unterstützung. Den Rest muss ich mir über den Monat zusammenstruggeln. Aber das ist eigentlich kein Problem. Jetzt auch durch Airbnb.
Das fängt jetzt erst an. Ich bin dieses Jahr vier Mal umgezogen und jetzt seit zwei Wochen in der neuen WG, jetzt ist das möglich.
Das stimmt. Deswegen ist es auch hart Zeit zu finden, um wegen einem Job oder Studium zu gucken. Eigentlich hab ich die Zeit, aber ich nehm sie mir lieber für andere Geschichten, weil in Berlin immer was los ist. Das ist es, was die meisten Leute in Berlin kaputt macht. Die kommen an die Bänke und jeden Tag sind da Leute die Bier trinken, Spaß haben und bis zwei Uhr rumsitzen. Man muss auch mal sagen können, ich geh jetzt nach Hause, ich hab noch was zu tun. Das fällt vielen schwer.
Das macht mir nix aus. Ich find es cool, wenn ich eine Base habe, wo ich mich wohlfühle, aber ich mag es unterwegs zu sein. Für mich gibt es keinen Grund zu Hause abzuhängen. Ich hab nach dem ersten Umzug bei Kerem (Elver) gewohnt und mit viel Scheiß macht Umziehen keinen Spaß, also hab ich meinen Schrank verkauft. Jetzt verkauf ich meinen Fernseher, den brauch ich eh nicht. Ich hab nur noch meine wichtigen Sachen. Laptop, Drucker, Bett und halt Klamotten, aber ich versuch keinen übertrieben vollen Kleiderschrank zu haben, wie man ihn als gesponserter Skater haben könnte.
Zur Zeit auf jeden Fall! Ich will mir alle Optionen offenhalten, weil ich noch nicht weiß, was ich machen möchte. Ich war auch am liebäugeln mit Köln oder Stuttgart.
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Der einzige Grund ist einfach nur weiterzumachen, Erfahrungen zu sammeln, vielleicht auch ins Ausland zu gehen. Aber da muss ich mit Titus gucken, weil die ja auf Deutschland fokussiert sind und falls ich jetzt woanders wäre, müsste man drüber reden. Über sowas mach ich mir gerade Gedanken. Ich möchte gerne in einem warmen Land leben. Deutschland ist mega geil, uns geht es hier echt super, allerdings hab ich auch Länder gesehen, wo die Leute wenig haben und trotzdem mega glücklich sind, wie z.B. Portugal. Da sind 70% der Jugendlichen arbeitslos und trotzdem haben die so ein Lächeln im Gesicht.
Da waren alle krass freundlich und offen. Wir hatten voll die guten drei Wochen, auch wenn wir nicht so viel geskatet sind. In Yangon gibt es halt Straßen und die haben durch Pushing Myanmar auch einen Skatepark, dadurch kommt da gerade eine Skateszene zustande. Es gibt dort zwar schon länger Skater, aber die kannst du an einer Hand abzählen. Der Skateshop ist der Kofferraum von ’nem Auto vor dem Skatepark. Dementsprechend gab es auch nicht die nötige Infrastruktur, um zu skaten. Das war wie auf dem Dorf. Du musstest erst mal Glück haben, dass du Asphalt findest. Wir sind dann alles geskatet, was ein bisschen fotogen aussah. Auch irgendwelche Tempel, die man eigentlich gar nicht skaten durfte. Das war immer grenzwertig. Wir wollten schnell den Trick machen, aber halt auch nix kaputt machen oder die Leute und ihre Religion stören.
„Es ist eh grad hart auf dem Schuhmarkt. Es gibt nur noch drei Schuhmarken und wenn da voll ist, was willst du machen?“
In Myanmar sind wir einen super roughen Spot unter einer Brücke gefahren. Ich bin hängen geblieben und rückwärts hingefallen. Dann war meine Hand komplett offen, weil ich in eine Glasscheibe gefallen bin, gleich am zweiten Tag. Also ins Krankenhaus in Myanmar, ich wusste gar nicht was mich erwartet, aber es war im Endeffekt mega nice und die haben das super vernäht. Na gut, der Arzt war ein bisschen zittrig unterwegs, der war mindestens 80 Jahre alt, aber alles gut.
Das war mit Titus auf der Ländle Tour in Freising, da waren wir abends saufen. Ich hab auf Fensterscheiben rumgetrommelt, eine war aber nicht so dick wie die anderen und ist durchgebrochen. Dann hatte ich am Handgelenkt einen Schnitt, das war gar nicht geil. Ich hab mein Shirt ausgezogen und rum gemacht. Wir sind dann pennen gegangen und am nächsten Tag aufgestanden und straight ins Krankenhaus zum Nähen. In der Zeit, in der ich im Krankenhaus war, hat Vladik (Scholz) sich davor verkatert dicke Viererblöcke runtergescheppert. Das war eh eine krasse Tour. Wir waren noch voll auf Mission Tour, weil die zwei Wochen davor war. Deshalb hatten wir immer noch drin, dass wir hart Party und irgendwas Verrücktes machen müssen.
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Sechs oder sieben.
Ja, aber den holt sich eh Mizze (Alex Mizurov). Die Mutter wartet schon auf die Karre. [lacht]
Darfst du nicht! Du musst auch mit dem Auto zum COS Cup fahren, wenn du dort startest, darfst die Sticker nicht abmachen und musst die Karre nach einem Jahr wieder abgeben.
Keine Ahnung, es gibt ja zum ersten Mal ein Auto zu gewinnen, das ist schon krass für einen deutschen Contest.
Keine Ahnung, der Dude, der da gearbeitet hat, war kein richtiger Skater, dem musste ich erst erklären, wie Skateboarding läuft. Dass man z.B. nicht von einem Tag auf den anderen Footage hat. Das war nicht, was man sich unter einem Sponsoring-Deal vorstellt. Dass da ein Team ist, man Touren macht und zuverlässig jemand ans Telefon geht und Schuhe schickt. Die wollen ja auch, dass ich mit deren Schuhen skate und ich soll mir jetzt Gedanken machen, wie ich an die Schuhe komme oder was? Ich hab auch ein halbes Jahr auf mein Geld gewartet. Wenn du Ende des Monats deine Miete bezahlen willst und es nicht da ist und keiner abnimmt, wenn du anrufst, dann fragst du dich auch: „Warum mach ich das?“ Da skate ich lieber die Schuhe, auf die ich Bock habe und geh irgendwo kellnern. Am Ende wollten die uns nur noch ein Paar Schuhe im Monat schicken. Wie willst du mit einem Paar Schuhe auskommen für das, was du leistest?
Ne, ich werd momentan ein bisschen von Johannes Schön unterstützt, aber das ist nur eine kleine Unterstützung. Ich würd mich freuen, wenn sich was ergibt, aber wenn es nichts wird, dann wird’s nichts. Es ist eh grad hart auf dem Schuhmarkt. Es gibt nur noch drei Schuhmarken und wenn da voll ist, was willst du machen? Aber natürlich macht man sich Gedanken, warum es nicht klappt. Ich hab das Gefühl, dass ich immer am Start bin, ich hab Bock überall hinzufahren, hau im Internet Clips raus, sitz auf ’ner Menge Footage. Deshalb finde ich es komisch, dass es für mich so schwer ist was zu finden.
Früher in der Heimat hab ich immer in der Kneipe gezockt und da ist man halt besser geworden. Um mal ein Bierchen zu gewinnen, reicht es. Aber es gibt auch übelste Profis, da hab ich dann keine Sonne.
Das hat ich mal mit so Türken am Bahnhof in Hannover. Die sahen überhaupt nicht aus, als würden sie skaten und die dachten von mir, ich könnte nicht skaten, weil ich noch voll jung war. Dann meinten die: „Komm, wir zocken SKATE um zehn Euro.“ Aber dann hab ich die abgezogen, obwohl die nicht schlecht waren. Mega lustig.
Irgendwie struggelt man sich durch.
Das ergibt sich. Der Monat war echt hart. Da bin ich mit wenig Geld durchgekommen. In Berlin wird man schnell faul, weil es so viel Essensangebote gibt. Statt drei Euro fünfzig für einen Döner auszugeben, kannst du aber auch einkaufen und dir eine Suppe kochen, die drei Tage reicht.
Ollie
Ich war bei manchen Spots, wo ich einen Trick schon länger vorhatte, aber dann hat es nicht geklappt. Eigentlich klappt es eher aus dem Spaß heraus. Durch die Deadline für das Interview dachten wir, ein, zwei Dinger müssen wir noch machen und durch den Druck hat das dann nicht so richtig geklappt. Da stehst du morgens auf und, egal wie du dich fühlst, du willst dieses Foto machen. Dann kommst du am Spot an und fuckst dich ab… Aber das ist auch Skateboarding am Ende zu sagen: „Scheiß drauf, heute ist einfach nicht der Tag.“
Mit Dennis bin ich auch schon seit eineinhalb Jahren am sammeln. Wir reisen viel und feiern oft zusammen und er macht mir als Wingman die Perlen klar. Er selbst hat ja schon seit Jahren eine Freundin.
„Das mit den Chicks ist bei mir auch gerade so eine Geschichte“
Mehr oder weniger. Das mit den Chicks ist bei mir auch gerade so eine Geschichte. Meine Ex-Freundin ist auf jeden Fall die gewesen, wo ich dachte, irgendwann möchte ich die gerne heiraten, aber das ist halt einfach noch ein bisschen zu früh. Alleine weil ich die ganze Zeit unterwegs bin. Sie hatte andere Vorstellungen, arbeitet jeden Tag. Ich hab sie dann nicht mehr oft gesehen. Wir wussten beide nicht so recht, was wir machen sollen. Auch weil ich noch Interesse an anderen Frauen habe. Aber wir haben immer noch Kontakt. Ich weiß selber nicht, mit den Chicks ist das so eine Sache.
Das geht so schnell. Ich hab auch ein paar Homies, die jeden Tag eine andere daten, aber das ist auch nicht mein Ding. Das ist komisch. Wenn du auf Party bist, eine kennenlernst, dann ist es meistens so, dass du es am nächsten Tag bereust. Alleine dass man das weiß, bringt einen dazu, eine Freundin für was Festes zu suchen, aber mir hat diese Freiheit gefehlt, als ich mit ihr zusammen war.
Schon länger. Das ging dann die letzten eineinhalb Jahre so, mal wieder getroffen, mal wieder nicht getroffen. Weil ich dann wieder Scheiße gebaut habe, mit einer anderen Perle was gemacht habe. Deswegen ist das so eine Sache. Als wir nach fünf Jahren gesagt haben, lass mal aufhören, haben wir uns danach weiter getroffen. Sie durfte machen, was sie wollte und ich auch, aber wahrscheinlich hat sie von mir erwartet zu probieren, das mit ihr noch aufrecht zu erhalten und wenn ich dann irgendwo anders was mache, ist das kontraproduktiv. Aber ich bin immer noch mit ihr in Kontakt. Mal gucken, wie es die nächsten Monate laufen wird, was so kommt. Es ist ja jetzt wieder Sommer. [lacht]
Ich weiß nicht, wie ich mich dann fühle. Ob ich mich nach festem Wohnsitz und Freundin fühle oder nach Weiterreisen. Aber ich denke, ich fühle mich nach Weiterreisen. Es gibt noch ein paar Länder, die ich noch sehen möchte.
Der geht noch weiter, wenn das alles so klappt, wie ich mir das vorstelle.
Nollie 360 Flip